Sunday, March 4, 2012

Manifest für Unschärfe und Verwischungen!

Die Technik, viele Schichten übereinander zu legen und Farben abzukratzen, ist nicht eine einzigartige Erfindung von Richter. Aber mit dem Mut zum Verwischen trifft er den Nerv der Zeit. So vieles huscht in unserem Leben vorbei: Musik, Informationen, Menschen, neue Techniken, schreckliche Nachrichten, die morgen schon vergessen sind und sogar Beziehungen und Lieben. Die vorbeihuschenden Schatten, wie wir sie aus dem Zug oder aus dem Auto sehen, drücken unser Lebensgefühl aus. Nichts können wir festhalten, kaum bleibt die Zeit, genau hinzusehen. Es geht einfach alles viel zu schnell für unsere Seele, die noch in der Zeit des Neaderthalers stehen geblieben ist. Mit dem Computer und seiner Schnelligkeit können wir micht mithalten. Unsere Aughen und unsere Gefühle sind zu langsam,darum huscht alles vorbei. Die verwischten Schatten von Gerhard Richter drücken das perfekt aus. Irgendjemand im Feulliton verglich dieses Bild hier unten mit Monets Seerosen. In der Tat: so würden sie vielleicht aussehen, wenn Monet über das noch feuchte Bild eine Holzlatte darübergezogen und die schönen Seerosen damitr verwischt hätte. Aber das Verwischte und das Verschwommene ist nicht nur etwas Trauriges. Es ist auch ein willkommener Selbstschutz. Wir werden so bombardiert von Nachrichten und Einzelheiten, die eigentlich unwichtig sind, dass wir alles gar nicht so genau wissen müssen und wollen. Verschont uns mit der grausigen Exaktheit der Fotografie, möchte man rufen. Katastrophen sehen wir schon genug, Unwichtiges auch. Gebt uns die Gnade der Unwissenheit, der Verschwommenheit. Beenden wir das exakte und planbare Leben. Gönnen wir uns den Rakel des Verwischens, der alles auflöst und dem Zufall preisgibt. Nur so entgehen wir dem Overinformation-Syndrom!

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